Warum die Murdaugh-Morde weltweit für Schlagzeilen sorgen

Von dem jungen Mann hinter der Handykamera ist nur die Stimme zu hören. Das wackelige Video zeigt seine Perspektive, wie er den Hundezwinger öffnet. Schwanzwedelnd kommt ihm ein brauner Labrador entgegen. „Komm her, Cash“, sagt der Mann freundlich. Im Hintergrund sind zwei weitere Stimmen zu hören, die seiner Mutter und angeblich die seines Vaters. Der Mann, der das Video filmt, ist Paul Murdaugh. 

In der Stunde nachdem er den Clip auf Snapchat postet, erschießt jemand den 22-jährigen Paul mit einer Schrotflinte. Seine Mutter Maggie wird mit einem halbautomatischen Gewehr ermordet. Beide werden vor den Zwingern gefunden, vom Familienvater Alex Murdaugh.

Schnell gerät der prominente Anwalt ins Visier der Ermittler:innen: Alex Murdaugh (wie ‚Alek‘ ausgesprochen) ist der Sprössling eines der einflussreichsten Clans der Region.

Der brutale Mord an seiner Frau und seinem Sohn auf seinem stattlichen Anwesen in South Carolina erregt weltweit Aufsehen. Die Ermittlung im Mordfall von Maggie und Paul Murdaugh zieht an einem Faden, der eine viel komplexere Geschichte aufdröselt, die aus Tod, Betrug und Machtmissbrauch gestrickt ist.

Die Strippenzieher*innen

Die Murdaughs haben in der Gegend schon ewig das Sagen. Sie gelten als einflussreiche Dynastie und halten im Lowcountry, einer Region in South Carolina, die legalen Fäden in der Hand. Von 1920 bis 2006 waren die Staatsanwälte des lokalen Bezirks allesamt Murdaughs. Zudem führt die Familie eine Kanzlei, mit der sie sich auf Personenschäden und Versicherungsfälle spezialisiert hat.

Die Murdaughs haben so viel Macht, in ihrer Gegend stand ihr Name lange für das Gesetz. „Über ein Jahrhundert lang waren die Murdaughs Recht und Ordnung hier im 14. Bezirk“, so eine Stimme im Trailer zur Doku Die Murdaugh-Morde: Skandal in den Südstaaten. Kein Wunder also, dass bereits vor dem Doppelmord von kriminellen Machenschaften die Rede ist.

Ein wirrer Knoten: Drei bizarre tödliche Unfälle

Die Geschichte hat so viele bizarre Wendungen, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Schon vor dem Mord an Maggie und Paul Murdaugh gibt es Todesfälle, die in irgendeiner Form in Verbindung zu der Familie stehen.

Vor seinem Tod war Paul im Jahr 2019 in ein Bootsunglück verwickelt, bei dem eine junge Frau namens Mallory Beach zu Tode kam. Zum Zeitpunkt des Unfalls soll Paul, der das Boot gesteuert hat, betrunken gewesen sein. Die Familie der Teenagerin erhebt schwere Vorwürfe gegen die örtlichen Behörden und behauptet, die Murdaughs hätten den Fall vertuschen wollen. Zum Zeitpunkt seines Todes wartete Paul, der nach der Zahlung einer Kaution von 50.000 Dollar auf freiem Fuß war, auf einen Termin für die Gerichtsverhandlung.

Von links nach rechts: Alex Murdaugh; Morgan Doughty; Paul Murdaugh and Maggie Murdaugh in Murdaugh

Auch Pauls Bruder Buster wird im gleichen Satz mit einem Toten erwähnt. Ein junger Pfleger namens Stephen Smith war tot am Rand einer Straße geborgen worden. Auch wenn offiziell von Fahrerflucht die Rede war, deutet einiges darauf hin, dass Stephen Smith zu Tode geprügelt wurde. Außerdem verdächtig: Am Tag, als Smith’ Leichnam geborgen wurde, hat ein Mitglied der Murdaughs angeblich seine Familie angerufen und angeboten, sie pro bono in dem Fall zu vertreten

Ebenfalls ein zentrales Thema der Ermittlungen: Die Haushälterin der Murdaughs, die 2018 im Haus der Familie durch einen Sturz zu Tode gekommen sein soll. Die Auszahlung ihrer Lebensversicherung hat die Familie angeblich nie erhalten. Handelt es sich hier um einen Betrugsfall in Millionenhöhe?

Der rote Faden

Im Kern der Sache steckt wie immer eins: Geld. Auch wenn die Familie Murdaugh ein Symbol von Macht und Wohlstand ist, steht es um Alex Murdaughs Finanzen weniger gut. Gegen ihn wird nicht nur wegen Mordes ermittelt, sondern auch in Dutzenden Fällen von Finanzbetrug.

Die Anschuldigungen gegen Murdaugh haben ihn  sowohl seinen Job in der Familienkanzlei, als auch seine Lizenz gekostet. Einer der Gründe ist angeblich seine Drogenabhängigkeit. Zwischen 50.000 und 60.000 Dollar pro Woche soll Alex Murdaugh für Opioide ausgegeben haben. Seine alte Kanzlei verklagt ihn auf Millionen.

Das Schuldenloch, in das sich der Anwalt manövriert hat, ist groß. So groß, dass Alex Murdaugh Monate nach dem Mord an seiner Familie ein Attentat auf sich in Auftrag gegeben haben soll.

Wäre der Anschlag geglückt, hätte sein verbliebener Sohn Buster durch die Lebensversicherung eine dicke Summe einstreichen können. Auch dieser angebliche Komplott spielt eine wichtige Rolle in dem Fall. Denn Diebstahl und Betrug sind eine Sache – aber ist Alex Murdough eiskalt und berechnend genug, um von langer Hand den Mord an seiner Frau und seinem Sohn zu planen und auszuführen? Oder hat sich die Familie schlicht zu viele Feind*innen gemacht? Die neue True-Crime-Doku Die Murdaugh-Morde: Skandal in den Südstaaten entwirrt dieses Knäuel aus Betrug, Mord und Anschuldigungen.

Wie ging der Fall für Alex Murdaugh vor Gericht aus?

Am Freitag den 3. März wurde Alex Murdaugh nun wegen Mordes verurteilt: Ein Richter verhängte zweimal lebenslänglich ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis. Er nannte Murdaughs Verteidigung „nicht glaubwürdig“ und „einen Angriff auf die Integrität des Justizsystems“.

Die Jury hatte weniger als drei Stunden über den Fall debattiert, bevor sie Murdaugh schuldig sprach. In einem Monolog vor der Urteilsverkündung erwähnte der Richter Murdaughs langjährige Abhängigkeit von Schmerzmitteln und sagte zu ihm, dass der Mörder „vielleicht nicht Sie waren. Es könnte das Monster gewesen sein, zu dem man wird, wenn man 15, 20, 30, 40, 50, 60 Opiatpillen nimmt. Vielleicht wird man dann ein anderer Mensch.“

Staffel 2 der Doku-Serie erzählt den Fall weiter

Die Geschichte geht weiter: Am 20. September 2023 startet auf Netflix die zweite Staffel der True-Crime-Doku Die Murdaugh-Morde: Skandal in den Südstaaten. Staffel 2 wird Berichte aus erster Hand von denjenigen enthalten, die in den Tagen vor und nach den Morden dabei waren und mehr Einblicke als je zuvor in diese tödliche Nacht geben: Blanca Turrubiate-Simpson (ehemalige Haushälterin der Familie Murdaugh) und Mushelle „Shelly“ Smith (Betreuerin von Libby Murdaugh) – die zu den wichtigsten Zeugen des Prozesses wurden –, Curtis Edward Smith (alias Cousin Eddie) und Gwen Generette, eine der Geschworenen des Prozesses. Morgan Doughty, Pauls Ex-Freundin, Anthony Cook, Pauls Freund, und Valerie Bauerlein, Reporterin des Wall Street Journal, kehren ebenfalls zurück.

Netflixwoche Redaktion

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