Heimspiel: Prügelnde Italiener, rollende Texanerinnen, werfende Schotten

In unserer neuen Serie „Geheimtipp“ stellen wir in loser Folge Empfehlungen aus der Redaktion vor – Filme und Serien, die nie in den Top 10 auftauchen, es aber definitiv verdient hätten. Diesmal: Die Doku Heimspiel.  

Im Endeffekt ist es eine 50 Minuten dauernde Schlägerei, bei der irgendwo auf dem Spielfeld ein Ball herumgetragen wird. Eine kurze Einführung in die Regeln: Zwei Teams mit je 27 Spielern treffen aufeinander. Ziel ist es, einen Ball in das Netz der gegnerischen Mannschaft zu befördern. Erlaubt ist so ziemlich alles: schlagen, treten, ringen. Verletzungen sind nicht nur zu befürchten, sie gehören dazu. Unterbrochen wird das Spiel nur, wenn Sanitäter*innen auf den Platz kommen müssen.

Das an Körperverletzung grenzende Spiel heißt Calcio Storico und ist seit dem 15. Jahrhundert eine traditionsreiche Veranstaltung im italienischen Florenz. Wegen der körperlichen Härte spielen die Teams der vier Stadtbezirke aber nur drei Spiele pro Jahr aus, zwei Halbfinals und das Endspiel.

Wenn Reiter um eine tote Ziege kämpfen

Den Weg dorthin begleitet die erste Episode der achtteiligen Dokumentation Heimspiel. Sie zeigt ungewöhnliche Sportarten, die meist nur in bestimmten Ländern oder auch nur Städten praktiziert werden. Im Roller Derby etwa fahren Frauen in Texas auf Rollschuhen im Kreis und rammen sich dabei gegenseitig von der Bahn. Im Kok-boru genannten Reiterspiel, das an Polo erinnert, kämpfen Menschen in Kirgisistan um eine tote Ziege. Und auf der indonesischen Insel Bali rasen Wasserbüffel beim Makepung Lampit auf zur Rennstrecke umfunktionierten bewässerten Reisfeldern um die Wette.

Der Sport ist zwar ein zentraler Teil dieser Doku, der wichtigste ist er aber nicht. Das ist die Kultur, in die Zuseher*innen während der rund halbstündigen Episoden eintauchen können. Der rührende Stolz, wenn einer der Calcio-Storico-Spieler von seinem Viertel und den Menschen dort erzählt, für die er den Sieg holen will. Die Leidenschaft, mit der schottische Männer sich nach Feierabend auf ihre Highland Games vorbereiten. Das Glück in den Augen einer Inderin, weil sie nun endlich in der lange Zeit Männern vorbehaltenen Kampfsportart Pehlwani antreten darf.

Kurzum: Heimspiel ist eine Mischung aus sportlicher Unterhaltung und National-Geographic-Doku, garniert mit absolutem Idealismus. Oder wie einer der Calcio-Storico-Florentiner auf die Frage antwortet, warum er all das ganz ohne Entlohnung mache: „Natürlich ist Geld wichtig. Aber eine Geschichte zu haben, ist noch wichtiger.“

Netflixwoche Redaktion

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