Emily in Paris: Warum Sylvie unser großes Vorbild ist

Sie ist klug, sie ist schön, sie ist stark … und alt! Das durfte sich zumindest die Schauspielerin Philippine Leroy-Beaulieu anhören, als sie vor ein paar Jahren von der internationalen Agentin Juliette Ménager angesprochen wurde.

Die Agentin suchte für den US-amerikanischen Filmproduzenten, Drehbuchautoren und Regisseur Darren Star (u. a. Beverly Hills, 90210; Sex and the City) eine französische Schauspielerin zwischen 35 und 45 Jahren. Leroy-Beaulieu hatte zu jener Zeit bereits die 50 überschritten. „Aber deine Energie gleicht nicht deinem Alter, also warum versuchen wir es nicht?“, sagte die Agentin Ménager laut der amerikanischen Tageszeitung The New York Times.

Leroy-Beaulieu las das Skript. Szenen, die wir heute in der Netflix-Serie Emily in Paris wiederfinden. Die für sie angedachte Rolle? Sylvie Grateau. Eine strenge Marketingchefin von Savoir – jener Pariser Agentur, in der laut Drehbuch die Amerikanerin Emily (Hauptdarstellerin Lily Collins) landet und von wo aus sie die Stadt kennen und lieben lernt.

„Move over, Emily!“

„Ich sagte, ich weiß so gut, wer diese Frau ist!“, hat Leroy-Beaulieu der britischen Zeitung Metro erzählt. „Meine Mutter war früher in der Modebranche tätig, als Teenagerin habe ich so viele Sylvies getroffen und letztlich war meine Mutter auch ein wenig wie Sylvie.“

Seit Emily in Paris im Jahr 2020 zum ersten Mal über die Bildschirme von Millionen von Haushalten lief, hat sich eine weltweite Fangemeinde um die Figur Sylvie gebildet. In Modemagazinen wird über ihren Stil berichtet, auf Vlogs über ihren Gang und mit dem Start der dritten Staffel heißt es sogar: „Move over, Emily!“ Was macht Sylvie also so besonders?

Sylvie ist kühl, direkt, sexy

Gehen wir zur Staffel eins zurück. Zu dem Zeitpunkt, an dem die noch recht naive Emily ihre französische Chefin erst kennenlernt. Sylvie ist kühl, direkt, sexy. Emilys coole Endgegnerin.

Sylvie bleibt länger in ihren Mittagspausen als sie sollte, raucht fast lässiger, als sie in ihren High Heels über die Pariser Pflastersteine schlendert. Und wenn immer die Zuschauer*innen sie in ihren dezenten und doch gewagten Roben sehen, wird ihnen erst einmal bewusst, wie knallig sich Emily kleidet.

Auffallend ist außerdem, dass Leroy-Beaulieu alias Sylvie wirklich authentisch wirkt. Vor allem in Zeiten, in denen Ü-50-jährige Promis liften, polstern, spritzen.

Sylvies Haut ist älter als die von Emily oder deren Freundin Mindy (gespielt von Ashley Park), ja. Und ihre vergleichsweise tiefere Stimme ist klar die Stimme einer reifen Frau, nicht die eines Mädchens. Gerade deswegen wirkt sie aber in der bunten, fast märchenhaften Welt von Emily in Paris so echt.

Eine Figur wie Slyvie ist in der Filmbranche noch rar. Für viele Schauspielerinnen endet die Karriere früh. Während Männer mit 50 noch den Superhelden geben dürfen, werden Frauen im selben Alter auf den Sidekick reduziert: die Mutter, die Helferin ohne Eigenleben. Figuren wie Sylvie oder Birgitte Nyborg in Borgen sind Ausnahmen.

So fungiert Sylvie nicht nur für Emily als Vorbild, sondern steht für die eine Generation an Frauen, die in den Medien vernachlässigt wird. Frauen, die wissen: 50 ist nicht „alt“. Frauen, die sich nicht in den Rentnerinnen aus der Werbung wiedererkennen, die ihre Freizeit mit Nordic Walking und Kuchenbacken füllen. Sylvie ist cool, sie ist schön, und sie weiß genau, was sie will.

„Emily ist fasziniert von Sylvie!“

Der Produzent Darren Star ist ebenfalls dieser Meinung. In einem Interview mit der US-amerikanischen Tageszeitung Los Angeles Times nannte er Sylvie ein Rolemodel: „Ich sehe sie nicht als Bösewicht. Ihre Beziehung zu Emily ist zwar schwierig. Doch Emily versucht ständig, auf das Niveau von Sylvie zu kommen. Sie ist fasziniert von ihr! Und ich denke, das Publikum ebenso.“

Star hat Sylvie letztlich auch wachsen lassen – mehr als jeden anderen Charakter in der Serie. War die Chefin zu Beginn noch verschlossen, ist sie in der zweiten Runde schon offener geworden. Im Zusammenspiel mit ihrem jüngeren Lover zeigt sie sogar eine jugendliche, fast unschuldige Seite. Eine Sylvie, die wie ein Teenager liebt. Eine Sylvie, die sich mit ihrer Angestellten Emily fast schon anfreunden kann.

In Staffel drei (Vorsicht, kleiner Spoiler!) gibt Sylvie sich dann verletzlich. Ihre erste eigene Agentur? Schwer aufzubauen. Die Kolleg*innen? Wütend. Der Liebhaber? Eifersüchtig. Zuschauer*in schauen gebangt auf die Krisen der Sylvie – während sie dabei zeitweise fast vergessen, dass Emily in Paris eigentlich von Emilys Erfahrungen in Frankreich handelt.

Philippine Leroy-Beaulieu lernt von Sylvie

Dem New York Magazin hat Leroy-Beaulieu verraten, dass sie die Rolle bekommen habe, weil sie die Balance zwischen Verletzlichkeit und Hartnäckigkeit halte. Das sei es auch, was Leroy-Beaulieu mit ihrer Figur teile.

Wer aber dachte, dass die Schauspielerin wie Sylvie aus Frankreich stamme, irrt sich. Leroy-Beaulieu wurde 1963 in Italien geboren. Erst als Jugendliche zog sie gegen den Willen ihrer Eltern (ihr Vater ist der französische Schauspieler Philippe Leroy) nach Paris. Sie studierte dort schließlich Theaterwissenschaften und hatte ihren Durchbruch 1983 im Film Surprise Party von Roger Vadim.

„Philippine strahlt eine echte Wärme aus, die Sylvies Coolness widerspiegelt“, sagte Lily Collins der Los Angeles Times. Von Leroy-Beaulieu habe sie gelernt, wie sie einen 360-Grad-Charakter erschaffen könne. Ihr Kollege Bruno Gouery, der in Emily in Paris den Agenturmitarbeiter Luc spielt, nennt Leroy-Beaulieu eine „Kämpferin“.

Am Ende hat die Schauspielerin wohl doch mehr mit Sylvie gemein, als sie denkt. Und wie sie der US-Fachzeitschrift Women’s Wear Daily verraten hat, hat sie von ihrer Figur schließlich auch etwas gelernt: „Ich wusste nicht, dass ich so mutig bin. Das wurde mir erst klar, als ich Sylvie spielte.“

Die dritte Staffel von Emily in Paris läuft seit dem 21. Dezember auf Netflix. Eine Fortsetzung ist bereits bestätigt.

Netflixwoche Redaktion

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